19.04.2022

Durchs Jahr mit Vivaldi

Klirrende Kälte, flirrende Hitze, frische Frühlingsstürme oder ausgelassene Herbstfeste – jede Jahreszeit hat ganz bestimmte Merkmale. Der Komponist und Geiger Antonio Vivaldi hat es geschafft, diese in Töne zu übersetzen. 1725 komponierte der Venezianer „Die vier Jahreszeiten“ – ein barockes Meisterwerk, das bis heute geschätzt wird. Wir begegnen schlafenden Hirten, feiernden Nymphen, begleiten eine Jagd und vieles mehr. Kommt mit auf eine Zeitreise!

Natürlich sah die Welt des Komponisten vor fast 300 Jahren anders aus als unsere heute. Es gab andere Sitten, Bräuche und ein anderes Weltbild. Doch die Jahreszeiten sind dieselben – kein Wunder, dass das Stück immer noch aktuell und beliebt ist. Vivaldi galt als hervorragender Beobachter: Er streifte durch die Natur, notierte die Veränderungen im Laufe des Jahres und brachte sie schließlich in Form seiner vier Jahreszeiten auf Papier.

Vivaldis Meisterwerk besteht aus vier einzelnen Solokonzerten, die eine Sologeige zusammen mit einem Orchester bestreitet. Jedes Konzert steht für eine Jahreszeit. Dazu gehören vier Sonette, die uns die Geschichte erklären. Man vermutet, dass er sie auch selbst dichtete. Die Konzerte sind wiederum in drei Sätze unterteilt, die verschiedene Szenen beschreiben und sich teilweise stark unterscheiden – so kann Vivaldi die verschiedensten Facetten beschreiben.

Der Frühling

Die Natur erwacht, die Geige lässt Vögel fröhlich zwitschern, dazu hören wir das beruhigende Plätschern einer Bachquelle. Doch dann lässt Vivaldi Wolken aufziehen und eine sanfte Brise mündet plötzlich in einem tosenden Frühlingssturm – typisch März und April, oder? Im zweiten Satz folgt ein abrupter Szenenwechsel: Eine langsame Melodie empfängt uns – wir befinden uns auf einer Wiese mit betörendem Blumenduft. Sanfte Winde wiegen Blätter hin und her. Gemütlich gebettet döst dort ein Hirte, während sein Hund neben ihm wacht. Abschließend tanzen im dritten Satz Nymphen und Hirten ausgelassen und feiern die bunte Naturpracht des Frühlings.


Der Sommer

Wer kennt es nicht – wenn es heiß ist, strengt jede Bewegung an. Wir fühlen uns matt und ausgelaugt. Vivaldi hat diese Stimmung perfekt eingefangen. Ganz träge kommt das Stück in Fahrt. Ein Hirte klagt über glühende Hitze, auch die Natur wartet auf eine Abkühlung. Vivaldi verschafft Abhilfe: Sanfte Winde kündigen sich zunächst an. Und plötzlich bricht der Nordwind los – Geige und Orchester nehmen entsprechend Fahrt auf. Der zweite Satz lässt uns Hörer mit seiner langsamen Melodie in einer scheinbar friedlichen Szene ankommen. Ein Hirte schläft – jedoch unruhig. Fernes Donnergrollen stört seinen Schlaf, auch Mücken und Fliegen plagen ihn. Das Gewitter kommt näher und entlädt sich im dritten Satz. Zuckende Blitze, dröhnender Donner, brausende Winde preschen übers Land. Die Musik klingt stürmisch, temperamentvoll und spannungsgeladen wie ein Unwetter. Eine Meisterleistung von Vivaldi!

Der Herbst

Nun ist es an der Zeit, die reiche Ernte und die harte Arbeit zu feiern. Bauern und Bäuerinnen tanzen und geben dabei ausgelassen Trinklieder zum Besten. Der Pegel steigt, die Stimmung ebenfalls. Wer genau hinhört, vernimmt das Torkeln der Feiernden und ihren Schluckauf. Im zweiten Satz ist die Party vorüber, wir lauschen dem Schlaf eines berauschten Bauern. Ihn umweht ein laues Lüftchen (die Geige), er atmet ruhig. Typisch für die barocke Herbstmusik erwartet uns im dritten Satz eine Jagdszene: Während der Morgenröte streifen die Jäger voller Tatendrang durch den Wald, mit Hörnern und Flinten ausgerüstet. Auch ihre Hunde sind mit von der Partie. Sie scheuchen Wild auf, doch es flieht Haken schlagend. Könnt ihr das Bellen der gierigen Hunde hören, die ihm auf den „Fersen“ sind? Sie liefern sich eine Verfolgungsjagd. Auf dem Höhepunkt schießen die Jäger mit der Flinte – es knallt. Das Wild ist tot.


Der Winter

Vivaldi empfängt uns in einer bitterkalten Schneelandschaft: Die Menschen frieren und bahnen sich ihren Weg stapfend durch die weiße Masse, während der arktische Wind erbarmungslos übers Land zieht. Keine Spur mehr von den warmen Melodien des Herbstes. Es ist so eisig, dass wir das Zittern und Zähneklappern der Menschen hören können. Doch Vivaldi zeigt auch die gemütlichen Facetten des Winter. Im zweiten Satz genießen wir klangvoll die Wärme des knisternden Kaminfeuers, während dicke Regentropfen draußen an die Scheibe klopfen. Beim letzten Satz geht’s wieder vor die Tür. Auf einem gefrorenen Teich zieht ein Schlittschuhläufer elegant seine Kreise, während andere Menschen sich nur vorsichtig über das Eis tasten, hie und da rutschen – bis jemand hinfällt. Und was ist das? Das Eis knackt und bricht. Nach einer kleinen Pause bricht auch schon der Eissturm los. So harsch der Winter auch ist, so bringt er auch Freude – wie sein Sonett zum Finale frei übersetzt zusammenfasst.

Und ohne die Jahreszeiten wäre es doch auch ein bisschen langweilig, oder? Noch mehr Barockmusik findet ihr in den unten verlinkten Videos.